SEM Round Table

SERVICELÖSUNGEN Elektrotechnik - Mechanik - Instandhaltung

SEM Round Table

29. Januar 2018 wissemswert 0

Der SEM Round Table mit der Rheinisch-Bergischen Druckerei und dem Druckzentrum Nordsee

Outsourcing von Maschinenwartung und Instandhaltung

—————————————————————————————————————————

Es diskutierten

      • Lars Cordes, Geschäftsleitung, Druckzentrum Nordsee (Bremerhaven)
      • Matthias Tietz, Geschäftsführer, Rheinisch-Bergische Druckerei (Düsseldorf)
      • Achim Trenkner, Geschäftsführer, S.E.M. Servicegesellschaft für Elektrik und Mechanik (Ludwigshafen)

Moderation:

Gerd Bergmann, Stellv. Chefredakteur, Fachmagazin DEUTSCHER DRUCKER

—————————————————————————————————————————

 

 

Viele Betreiber von Zeitungsdruckereien haben ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand gestellt. Dies hat teilweise zur Fremdvergabe von Aufgaben geführt, etwa der Maschinenwartung. Über die Gründe für ein solches Outsourcing, über die damit verbundenen Hürden und das Resultat hat Deutscher Drucker jetzt bei einem „Round Table“ mit den Chefs des Druckzentrums Nordsee (Bremerhaven), der Rheinisch-Bergischen Druckerei (Düsseldorf) sowie des Dienstleistungsunternehmens SEM gesprochen.

 

 

 

Würden Sie uns bitte die Ausgangslage, also Ihren Betrieb und die Personalsituation, beschreiben?

 

Lars Cordes (Druckzentrum Nordsee): Bis 2007 hatten wir – ein regionaler Zeitungsverlag, der in Bremerhaven die Nordsee-Zeitung mit einer Auflage von 60 000 Ex. herausgibt – einen sehr personalintensiven Herstellungsbetrieb. Bei 100 Mitarbeitern fielen enorm hohe Personalkosten im Jahr an. Wir haben aber einen innovativen Gesellschafter und Verleger, der sich zu einer Neuinvestition entschloss. Ziel war es, das Druckzentrum Nordsee (DZN) zu bauen, das nicht „nur“ sondern „auch“ Zeitungen produziert. Deshalb wurde in eine wasserlos arbeitende KBA Cortina 6/2 mit 48 Seiten investiert, die hochwertigere Papiere bedrucken kann und uns andere Marktsegmente eröffnet. So lassen sich heute während der Tagschichten Magazine, Kalender oder auch Flyer drucken. Damit ging einher, dass wir die Druckerei personell komplett neu aufgestellt haben. Die Folge war eine Reduktion der Personalkosten um fast 60 Prozent aufgrund des hohen Automatisierungsgrades.

Wir fahren die Maschine in der Nacht mit drei Druckern, Anzeigenblattproduktionen laufen mit 2,5 Mitarbeitern, inklusive CtP und Rollenvorbereitung. Im Versandraum steht unter anderem eine Schneidtrommel, ein Heftaggregat sowie ein Einsteckaggregat mit 22 Anlegern. Wir verarbeiten auf dieser einen Einstecklinie zwischen 220 und 240 Mio. Beilagen im Jahr. Über 7.000 Tonnen Papier werden im DZN jährlich bedruckt. Die Masse kommt nicht aus den akzidenzähnlichen Produkten. Wir haben es aber geschafft, für Zeitungs- und Anzeigenblattproduktionen noch weitere Partner zu finden, so dass wir heute ungefähr 700.000 Anzeigenblätter pro Woche und rund 640.000 Tageszeitungen drucken. Das ergibt einen Fremdumsatzanteil von etwa 45 %.

Es ist ganz wesentlich, dass wir heute eine andere Mitarbeiterstruktur haben. Die Drucker mussten lernen, dass die alten Traditionen aufgebrochen wurden.

 

Matthias Tietz (Rheinisch-Bergische Druckerei): Das Druckzentrum der Rheinisch-Bergischen Druckerei (RBD) in Düsseldorf wurde 2000 gebaut – mit damals sechs Versandlinien und sechs Offsetdruck-Linien. In den Jahren 2007/2008 wurde ein Teil der bestehenden Maschinen auf je 48 Seiten erweitert und dies alles durch zwei KBA Cortina (32 Seiten) ergänzt. Auch bei uns war dies der Weg, um sich vom reinen Zeitungsdruck zu lösen und mit zeitungsähnlichen Produkten – teils geschnitten und geheftet – in ganz andere Märkte zu gehen. Unser zweiter Betrieb, den wir in Wuppertal unterhielten, wurde zwischenzeitlich geschlossen und wir haben die Produktion in Düsseldorf gebündelt. Wir verarbeiten aktuell rund 35 000 Tonnen Papier, haben rund eine Milliarde Einsteckprodukte sowie einen Konzernanteil am Umsatz von rund 60 %. Wir arbeiten unter der Woche dreischichtig, am Samstag mit zwei Schichten und Sonntag mit einer langen Nachtschicht für die Tageszeitung. Der Auslastungsgrad beträgt rund 85 %.

 

Wie ist die Belegung des Unternehmens in Bremerhaven?

 

Cordes: Wir haben einen Auslastungsgrad von 60 bis 65 %. Unsere klare strategische Ausrichtung ist, dass wir die KBA Cortina mit am Ende 80 000 Betriebsstunden nutzen wollen. Wir schieben zusätzliche Produkte nur dann ein, wenn sie uns einen gewissen Deckungsbeitrag erbringen. Dies gelingt uns unserer Ansicht nach sehr gut. Wir wissen ja alle nicht, wie Drucktechnologie für Massenprodukte in den nächsten 15 bis 20 Jahren aussieht. Diesen Zeitraum wollen wir uns strategisch aber offenhalten, bevor die Frage Reinvestition aufkommt und wir aufgrund eines hohen Auslastungsgrades mit zu geringen Deckungsbeiträgen vorzeitig unter Entscheidungsdruck geraten.

 

Tietz: Da agieren wir anders und gehen offensiv in den Markt. Wir wollen nicht darauf warten, wie sich die Zukunft entwickelt, sondern erschließen uns die Marktsegmente, die wir heute erreichen können. Von der Cortina-Qualität könnten wir sogar deutlich mehr verkaufen, als die Kapazität es zulässt.

 

Wie hat sich denn in den vergangenen zwei Jahrzehnten das Anforderungsprofil bezüglich Ihrer Kernkompetenzen geändert?

 

Tietz: Bis 2000 gab es schon erste Warnsignale, dass sich die Verlagswelt trotz weiter guter Entwicklung verändern wird. Nach dem 11. September 2001 und dem Platzen der Internetblase setzte der bekannte deutliche Medienwandel ein. Eine zweite Welle der Veränderungen erreichte uns im Zeitraum 2007 bis 2010. Seitdem fallen die Auflagen bei den Tageszeitungen kontinuierlich, ebenso die Anzeigenvolumina. „Print für News“ hat sich eben nachhaltig verändert. Für uns war das ein Ansporn. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Auf der schiefen Ebene bleiben und da eben runterrutschen. Oder diese Zeitungsdruckerei umbauen. Ich stimme dem Kollegen Cordes zu: Um die Fähigkeiten der neuen Technologie zu vermarkten, braucht man vor allem Mitarbeiter, die Qualität im Sinne sich verändernder Kundschaft neu definieren und ernstnehmen. Das zu lernen, ist für die Menschen, die aus dem Zeitungsdruck gekommen sind, die allergrößte Aufgabe gewesen. Wenn ich mir das nach vielen Jahren rückblickend anschaue, dann haben wir heute fast 20 % an Druckern, die gar nicht mehr aus dem Zeitungsbereich kommen, sondern aus Akzidenzbetreiben zu uns gewechselt sind. Die bringen dann diesen Spirit bereits mit.

Ziel des Wandels ist: Wir sind eine Akzidenzdruckerei, die auch Zeitung druckt. Das bedeutet aber auch: Wir sind so wirtschaftlich aufgestellt, dass wir den Preisanforderungen im Markt nachkommen können.

 

Sie haben nur noch Fachkräfte? Ist der angelernte Helfer völlig überflüssig geworden?

 

Tietz: Wir haben etwa 2004 unsere Personalstruktur dahingehend verändert, dass wir überall im Produktionsprozess die Anlagen mit unseren eigenen Mitarbeitern fahren, – dies ausschließlich mit Fachkräften. Von den Hilfskräften in Rotation als auch im Versand haben wir uns sehr bewusst getrennt. In der Rotation war das vor allem durch die weitgehende Automatisierung möglich. Im Versand arbeiten wir auf Werkvertragsbasis für das Beilagen-Handling. Auch der Bereich Lager und Logistik ist auf eine Werkvertragsbasis umgestellt worden.

Im Bereich der Technik arbeiten wir auf Werkvertragsbasis im Bereich Werkstatt Weiterverarbeitung (Instandhaltung und Wartung) und lassen Pflege-/Reinigungsdienste sowie ausgewählte Walzenwartungen Rotation in beiden Bereichen Rotation und Versand auf Werkvertragsbasis erledigen. In Summe mit der Philosophie „Produktion Eigenleistung, Umfeld Werkvertragsbasis“.

 

Cordes: Bei uns gibt es keine Werkverträge, außer mit dem Dienstleister SEM für die Wartung und Instandhaltung. Wir haben uns allerdings 2008 in der Unternehmensstruktur so aufgestellt, dass wir eine Betriebsgesellschaft für den gesamten Druck- und Verwaltungsbereich sowie eine eigene Gesellschaft für die weitere Verarbeitung unterhalten. Wir beschäftigen auch die Hilfskräfte noch selbst. Sie sind in der Warenannahme, Beilagenzuführung, Papiervorbereitung und Verpackung tätig. Der Versuch, über einen Werkvertrag mit einem lokalen Partner auch Hilfskräfte zu organisieren, hat zu keiner akzeptablen Personalqualität geführt. Das haben wir wieder bei uns integriert, um einen direkten Zugriff auf die Mitarbeiter zu haben. Dies schafft auch mehr Identifikation mit dem Unternehmen Druckzentrum Nordsee.

 

Tietz: Die Dimensionen unseres Betriebs sind natürlich völlig anders. Wir haben in Düsseldorf rund 230 Mitarbeiter im Unternehmen, alles Fachkräfte. Wir fahren in der Rotation auch von der Grundbesetzung her die Maschine mit zwei Mitarbeitern. Bei der Cortina ist das einer, der druckt, und einer, der das Plattenhandling bewirtschaftet. An den KBA Commander ist das auch nicht anders. Wir sind da erfreulich flach aufgestellt, was die Wirtschaftlichkeit fördert. Und ja, wir sind ein tarifgebundener Betrieb. Warum denn auch nicht? Es ist für die Mitarbeiter etwas Wertvolles. Ich habe für CTP und Druck knapp 70 Mitarbeiter. Im Versandbereich sind rund 100 Mitarbeiter beschäftigt, alles Fachkräfte. Das sind Dimensionen, die dann auch dazu führen, dass der Dienstleister, der uns hier mit mit seinen Werkverträgen unterstützt, zurzeit mit rund 300 Mitarbeitern unterwegs ist.

 

Sie haben beide in Ihren Unternehmen die Wartung und Instandhaltung fremdvergeben. Lässt sich das abtrennen? Sind die Drucker nur noch Knöpfchendrücker und müssen ihre Maschine nicht mehr so gut kennen?

 

Cordes: Erst einmal ist zu definieren, wo eigentlich die Schnittstelle liegt. Wenn ein Drucker nur noch zum Knöpfchen-Drücker wird, versteht er den Prozess nicht mehr. Wenn er den nicht versteht, dann wird er keine qualitativ hochwertigen Produkte mehr fertigen. Der Drucker muss in der Lage sein, komplett allein seine Druckmaschine einzurichten und zu produzieren. Nichtsdestotrotz haben wir eine Trennung zwischen den produktionsrelevanten Tätigkeiten einschließlich Vorbereitungsmaßnahmen bzw. Wartung und Reinigung, die wir an SEM übergeben haben. Dazu gehören auch das Störungsmanagement und die Fehlerbehebung. Was nicht heißt, dass der Drucker nach der Produktion die Maschine nicht abrüsten muss.

 

Tietz:  Wir haben in unserem Betrieb nur die Instandhaltung/Wartung Weiterverarbeitung fremdvergeben. In der Rotation ist die Instandsetzung Aufgabe des Betriebes. In Rotation und Versand sind Pflegearbeiten und in der Rotation ausgewählte Wartungsleistungen fremdvergeben. Damit konzentrieren wir die Arbeit der Fachkräfte ganz bewusst auf die Produktionsarbeit. Dazu gehören auch die Aufgaben Ein- und Abrüsten und Grundpflegearbeiten – also alle Arbeiten, die die Qualität der Produktion mitbestimmen.

Im Versand ist das eigentlich sehr ähnlich. Es gibt den Anlagenführer, der die Maschine fährt, und der hat seine zwei Maschinenbediener . Wenn er komplizierte Produktionen fährt, kommt dazu ein Team von Mitarbeitern, das werksvertragsmäßig die Beilagen bereitstellt, auflegt und Beilagenreste wieder ins Lager schafft.

Es gibt daneben intern festgelegte Zeiten, zu denen SEM für Reinigungsarbeiten, Walzenwartungsarbeiten oder andere Aufgaben an  den Maschinen in Rotation und Weiterverarbeitung arbeiten kann.

 

Warum SEM für Reinigung und Instandhaltung?

 

Tietz: Lassen Sie es uns ganz allgemein formulieren. Wir arbeiten im beschriebenen Umfang mit Fremdfirmen im Werkvertrag, da wir unsere Fachkräfte auf den Prozess Produktion konzentrieren wollen. Der Drucker sorgt wie der Weiterverarbeiter für den Umsatz und gute Produktqualität. Im Umfeld wird er unterstützt durch Werkvertrags-dienstleister. Diese Konzeption ist für die grundsätzliche Wirtschaftlichkeit der Produktion unerlässlich.

Vertragsnehmer, die bei uns einen Werkvertrag angetreten haben, sind nicht in Dauerbeschäftigung. Sie haben einen Vertrag, der über einige Jahre läuft und der sich auch gerne verlängern kann – aber immer unter der Voraussetzung, dass eine gute Leistung erbracht wird, dass wir gutes, qualifiziertes Personal vor Ort haben und dass wir Personalkontinuität sehen. Alle paar Jahre, wenn die Verträge auslaufen, gibt es eine Abfrage des Marktes durch ein Ausschreibungsverfahren. Wer bei uns Dienstleister werden will, muss neben einem attraktiven Preis auch eine gute, strukturierte Ablauforganisation bieten, die gerade bei der Durchführung von Werkverträgen unendlich wichtig ist. Somit bestimmen Preis, Leistung, Personalkontinuität und die gute Fähigkeit, Werkverträge ordentlich abzuwickeln, gleichermaßen eine Vergabeentscheidung. Hier hat SEM im Bereich Maschinenpflege Rotation und Weiterverarbeitung mit seiner Leistung bisher überzeugt.

 

Achim Trenkner (SEM): Die Idee, ein Unternehmen wie die SEM aufzubauen; ist zu dem Zeitpunkt entstanden, als die Flexibilisierung der Instandhaltung gefordert wurde – in produktionsfreien Zeiten, Wartungstätigkeiten und Reparaturen auszuführen. Wir bieten unseren Mitarbeitern, damit sie sich auch weiterentwickeln können, Arbeiten in anderen Druckhäusern an. So können sie sich profilieren und über den Tellerrand schauen, was zu einem Gesamtmehrwert führt. Heute erbringen wir in 30 Druckhäusern z. B. insgesamt jährlich rund 1 000 Walzenservicearbeiten. Das heißt, 1 000 Druckwerke im Jahr werden von uns gewechselt oder neu justiert. Wir haben uns am Markt einen sehr guten Namen gemacht. Partner und Druckhäuser verlassen sich auf uns, dass wir eine saubere, einwandfreie Dienstleistung abliefern.

 

Wie individuell ist Ihre Arbeit in den jeweiligen Betrieben, wie fällt die Spanne aus?

 

Trenkner: Wir fangen an mit der einfachen technischen Maschinenreinigung bis hin zum Walzenservice, über die DGUV-Prüfung für die ortsunveränderlichen Elektrogeräte in der Druckerei – dazu gehören die produktionstechnischen Anlagen eben auch – bis hin zur Full-Service-Instandhaltungsdienstleistung. Da sind wir mit Elektronikern, Mechatronikern und Mechanikern im 3-Schichtdienst für Troubleshooting und auch tagsüber für Wartungsarbeiten vollumfänglich für die Anlagenverfügbarkeit verantwortlich.

 

Cordes: Eines meiner Argumente für einen Dienstleister wie SEM ist unsere relativ kleine Organisation. Wir hatten drei Betriebstechniker, die sich um alle Bereiche, inklusive Gebäude, gekümmert haben. Sie waren mit der neuen Technik teilweise einfach überfordert. Dadurch, dass wir zuvor quasi einen Investitionszyklus verpasst haben, waren diese Mitarbeiter zuvor an Anlagen von Anfang der 1990er Jahre tätig. So ergab sich nicht nur einen Technologie-, sondern auch den Ausbildungssprung, der dann für die Cortina genügt hätte, schlichtweg verpasst. Wir haben uns daraufhin das Konzept von SEM angeschaut, die auf einen anderen Mitarbeiter-Pool zurückgreifen, als wir das tun können. Das zweite Argument ist die Ausbildungsqualität der SEM-Mitarbeiter und das dritte die Erfahrung, die sie zum Teil aus anderen Häusern mitbringen. Das wird gern unterschätzt. SEM bringt nicht nur ein „Full-Service-Package“, sondern entwickelt mit uns auch die Wartungsabläufe weiter. Das hat uns in vielen Fällen unterstützt. Selbst beim Ersatzteileinkauf werden Erfahrungen von SEM miteingebracht. Ein Beispiel waren die Batterien für unser fahrerloses Transportsystem. Es ist gut, da als kleines Unternehmen partizipieren zu können.

 

Trenkner: Genau das ist das Konzept: Mitarbeiter vor Ort zu haben, die auf die Anlagen ausgebildet sind und entsprechend kurze Wiederherstellungszeiten auch erfüllen können. Wir sind bei Herrn Cordes derzeit vor Ort mit vier Technikern aktiv. Es gibt zudem einen Plan, wie wir aus anderen Standorten Techniker mit entsprechendem Knowhow einsetzen können, so dass wir eine Nettobesetzung für bestimmte Anwesenheitszeiten garantieren. Dies dient auch dazu, in bestimmten produktionsfreien Zeiten zusätzliches Personal zu stellen, um geballt Wartungsaufgaben abzuarbeiten.

 

Die genannten vier Mitarbeiter sind ausschließlich im Druckzentrum Nordsee tätig?

 

Trenkner: Exakt.

 

Tietz: Das ist einer der wesentlichen Vorzüge von SEM gegenüber anderen. Wir versuchen, der Zusammenarbeit einen Rahmen zu geben, der es für den Werkvertragsnehmer interessant macht, die Mitarbeiter kontinuierlich zu stellen. Damit verändert ein Teil der Mitarbeiter tatsächlich auch dann seinen Lebensmittelpunkt und wird im Grunde genommen zu einem vertrauten Gesicht im Betrieb. Das ist wichtig aus vielerlei Gründen.

Im Zeitungsbereich haben wir seit 2000 eine unschöne Spirale der Entwicklung nach unten. Eine Werkvertragssituation wird zunächst immer als eine latente Bedrohung für die Mitarbeiter im Betrieb, als Wettbewerb und als Verdrängung wahrgenommen. Wofür ich in der aktuellen Situation absolut Verständnis habe. Es geht aber um ein brauchbares Miteinander, um die Bereitschaft der Mitarbeiter, den Werkvertragsnehmer mit dessen Mitarbeitern zu dulden, ihn nicht zu verteufeln, sondern zu akzeptieren, dass diese Situation im Gesamtkontext für die Wirtschaftlichkeit des Betriebes schlüssig ist. Das geht nur über Kontinuität des Personals, das geht nur, wenn man sich kennenlernt und in der Leistung gegenseitig schätzen lernt. Dann lösen sich die Probleme weitgehend auf.

Für die RBD kann ich aber – anders als Herr Cordes – nur sagen: Ich kann mir heute schlichtweg nicht vorstellen, dass ich meine Betriebstechnik für den Bereich Rotation und CtP vergeben würde. Angesichts der älter werdenden Anlagen, der sich verschlankenden  Lieferanten mit zurzeit immer mehr fehlenden Mitarbeitern, die mit den alten Anlagen überhaupt noch umgehen können – da hat für uns Knowhow-Sicherung eine ganz andere Relevanz als  vor ein paar Jahren.  Es ist also sicherlich immer eine Frage des Gesamtkontextes, um die Sinnhaftigkeit einer Vergabe von Werkdienstleistungen zu entscheiden.

 

Auf was legen Sie bei Werkverträgen besonderes Augenmerk?

 

Tietz: Zunächst lege ich Wert auf sichere Funktionalität, darüber sprachen wir ja bereits. Im Weiteren, was ist die richtige Strategie im Unternehmen, damit die Werkvertragsnehmer die nötige Akzeptanz finden? Es ist also einerseits wichtig, dass ein Werkvertrag sich in das Prozessgefüge des Unternehmens so gut wie möglich einfügt, die Mitarbeiter dadurch Entlastung für ihre Kernaufgabe Produktion (qualitativ und im Zeitverhalten sicher zu produzieren) verspüren. Andererseits darf und sollte man auch über das Verhältnis von Kosten und wirtschaftlichem Erfolg offen sprechen, um aufzuzeigen, dass der Erfolg des Unternehmens am wirtschaftlichen Erfolg gemessen wird und das Nebeneinander von eigenen Fachkräften und Werkverträgen dies deutlich unterstützt.

Letztlich sollte man aber auch immer wieder bereit sein zu prüfen, wo und wie können ggf. Werkvertragsdienstleistungen auch wieder sinnvoll in den Betrieb übernommen werden.

 

Funktioniert der tägliche Umgang mit den Werkvertragsmitarbeitern wirklich reibungslos?

 

Cordes: Es kommt darauf an, wie Sie es anstellen. Ich bin da auch der sehr praxisorientierte Mensch und sage den Mitarbeitern, wenn Sie bestimmte Arbeiten lieber selbst erledigen wollen: Zeigt mir, dass es funktioniert. Das war auch der Weg, den wir mit SEM gegangen sind.

Ich habe die Überforderung der damaligen Betriebstechnik angesprochen. Wenn die Unternehmensführung merkt, dass so eine Herausforderung neben der Investition steht, dann ist das eine nahezu ideale Eintrittssituation, um sich als Alternative über einen Werkvertrag Gedanken zu machen. So ist das bei uns gekommen und es gab durchaus Widerstände. SEM hat etwa sechs Wochen gebraucht, um Akzeptanz zu finden. Unsere Mitarbeiter haben ziemlich schnell erkannt, dass sich die „Neuen“ stärker als die Kollegen davor engagieren, dazu kam noch die höhere fachliche Qualifikation. Das war der Hebel – begleitet von einer sehr ausgeprägten Kommunikation mit den Mitarbeitern während dieser Phase. Sie dürfen nicht hingehen und meinen, da führe ich jetzt einfach mal etwas Neues zusammen. Das funktioniert nicht ohne viel darüber zu reden, viel zu erklären. Auch die Frage der Wirtschaftlichkeit.

 

Tietz: Völlig richtig: Man darf bei der Kommunikation nicht aufhören. Wenn sie zum Beispiel im Produktionsgespräch zur letzten Nacht hören, an den Problemen während der Schicht sei der Dienstleister „schuld“. Da kann man dann nur konsequent nachhaken: Schuld? Was war denn? Dann hört man sich das an und fragt zurück: Waren die Voraussetzungen richtig? Welcher Verantwortliche der RBD hat denn die Arbeit gestern Abend abgenommen? Dieses Zurückziehen auf „zum Glück gibt es andere, die auch schuldig sein können“, das erlebt man leider immer wieder. Wir suchen die Fehler, dies aber um daraus zu lernen, wie es besser im Miteinander geht – nicht um „Schuldige“ zu finden. Den Punkt muss man offen angehen.

Ein anderes Beispiel: Wir haben vor ein paar Tagen mit unseren Betriebsräten ein Gespräch geführt über alle unsere Werk- und alle Dienstverträge. Das war vor zehn Jahren von beiden Seite her undenkbar. Es ist erfrischend zu sehen, wie da auch auf Ebene der Betriebsräte, über diese Dinge gesprochen wird. Wie Chancen ergriffen werden, über die Rücknahme von Leistungen in einzelnen Bereichen zu sprechen, aber eben auch andere Leistungen als hilfreich zu verstehen und zu akzeptieren. Eine Ausgewogenheit im beidseitigen Verständnis zum Thema Werkvertragsleistungen ist sicherlich sehr wichtig, um dann im betrieblichen Einsatz auch bestmögliche Akzeptanz zu erreichen.

Sie fragten auch nach Leiharbeitnehmern. Dieser Einsatz ist für uns in den Bereichen Rotation und Weiterverarbeitung kein Thema. Wir setzen darauf, dass die großen Bereiche eventuelle Vakanzen aus sich heraus bewältigen. Lediglich im Bereich der kleinen Betriebstechnik ist der Einsatz von Leiharbeitnehmern eine kurzfristige Brücke, um personelle Engpässe zu überbrücken, wenn die kleine Gruppe der BT’ler es nicht alleine organisiert bekommt. Dann stoßen wir aber auch bei den Arbeitnehmervertretern auf das nötige Verständnis zum Einsatz

 

Sie machen nur Werkverträge?

 

Trenkner: Wir haben auch die Zulassung zur Arbeitnehmerüberlassung, aber da geht es im Prinzip nur um Urlaub oder Krankheitsvertretung. Dauerhafter Einsatz eines Technikers, der eine produktionstechnische Anlage nach einer Störung auch wiederherstellen kann, werden wir nicht über eine Arbeitnehmerüberlassung dauerhaft einsetzen können. Wir finden auch gar nicht die Mitarbeiter, die bereit sind, in diesem Gewerk in Arbeitnehmerüberlassung zu arbeiten. Das funktioniert nicht.

 

Tietz: Man würde die Vertrauensebene, die man sich zu den Werkverträgen aufgebaut hat, sehr schnell kaputtmachen, wenn man damit anders als nur für Notfälle agiert. Warum soll ich das in einer Interessengemeinschaft, die jetzt einigermaßen in Balance ist, riskieren?

 

Wo holt sich SEM die zusätzliche Erfahrung, zum Beispiel beim Benchmarking?

 

Trenkner: Instandhaltung lässt in verschiedene Levels einteilen. Zum einen den unteren Bereich, wo wir über Maschinenreinigung und einfache Schmierdienstarbeiten reden. Hier gibt es durchaus lokale Unternehmen, die so etwas auch anbieten. Wenn wir eine Ebene höher gehen, in den Bereich Walzenmanagement – mit dem wir automatisch in die Qualität einer Druckerei eingreifen –, da wird der Markt schon etwas dünner. Was den Full-Service-Bereich im Bereich Technik angeht, also etwa Mechatroniker im Schichtdienst für Troubleshooting wie wir dies u.a. beim Druckzentrum Nordsee leisten, da kenne ich kein weiteres Unternehmen, das so etwas flächendeckend in Deutschland anbietet. Auch nicht die Hersteller. Die kennen im Zweifel nur ihre eigenen Anlagen. Daher ist ein Benchmark in diesem Bereich schwierig zu gestallten. Zudem sind die örtlichen Gegebenheiten stets sehr unterschiedlich.

Der Clou ist ja, dass wir neben der Druckmaschine auch die Versandraumtechnik betreuen können. Und im First Level Support auch die Gebäudetechnik. Das ist bei den Herstellern meines Wissens nicht umsetzbar. Wir arbeiten mit den Maschinenherstellern gerne zusammen. Wir empfehlen, gewisse Themen auch bei Herstellern zu belassen, etwa den High-Level-Bereich – wenn es um die großen Falzwartungen geht, einen Retrofit oder die Revision einer Anlage, um Umbaumaßnahmen, Umprogrammierung oder auch eine Jahresinspektion. Da kommen wir nicht in Bedrängnis mit den Herstellern. Die Anfragen, die wir diesbezüglich erhalten, werden allerdings immer mehr. Denn auch die Maschinenhersteller haben das Problem der Personalrekrutierung. Als SEM können wir mit kurzen Anfahrtszeiten eine qualitativ hochwertige Dienstleistung zu einem überschaubaren Preis anbieten.

 

Wo nehmen Sie die Fachkräfte her?

 

Trenkner: Zum Teil haben wir Mitarbeiter, die aus dem Herstellerbereich kommen. Wir wurden teils auch von den Herstellern geschult – auf dem Level, das ein Betriebstechniker beherrschen muss. Es gibt aber eine klare Abgrenzung, wie weit wir mit unserem Service gehen. Und wo als Beispiel Koenig & Bauer, Ferag oder Manroland anfangen. Das funktioniert in der Regel sehr gut. Über die vielen Jahre, in denen wir das jetzt machen, ist da auch ein Vertrauensverhältnis entstanden. Wir fördern den internen Austausch der Mitarbeiter von einem Standort zum anderen – um andere Möglichkeiten, andere Philosophien der Instandhaltung, kennenzulernen. Natürlich haben wir auch das Problem, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Fachkräftemangel gibt es in allen Regionen, egal ob strukturschwach oder -stark. Das hat uns dazu bewogen, dass wir interne Weiterbildungsmaßnahmen, Technikerausbildung und Konzepte wie „Mitarbeiter wirbt Mitarbeiter“ anbieten.

 

Wievielte Mitarbeiter sind das aktuell insgesamt?

 

Trenkner: Wir haben derzeit 250 Techniker.

 

Die haben alle einen festen Einsatzort, oder gibt es da auch den reisenden Spezialisten?

 

Trenkner: Ja, die gibt es auch. Das sind etwa 15 Mitarbeiter, die deutschlandweit auch das Konzept mittragen, an den einzelnen Standorten neue Mitarbeiter auszubilden, beziehungsweise die Urlaub- und Krankheitsabdeckung in den Häusern zu erbringen.

Haben Sie im Grunde das gleiche Problem wie Herr Cordes, wenn er zum Beispiel einen Mechatroniker nach Bremerhaven sucht?

 

Tietz: Ich glaube nicht, dass SEM das gleiche Problem hat. Wenn wir, die RBD oder die Nordsee Zeitung, eine Stelle ausschreiben, dann lässt sich ein Bewerber nur auf diesen Standort ein. Wenn Herr Trenkner eine Bewerbung draußen hat, dann wird ihn auch vieles erreichen, wo die Bewerber wissen, dass sie sich nur mit einer gewissen Flexibilität in ein solches Unternehmen bewerben können. Es ist schwierig, sicherlich für ihn genauso wie für uns, die richtige Anzahl qualitativer Fachkräfte im richtigen Anforderungsprofil zu finden.

 

Gibt es einen Trend zu dieser Dienstleistung, zu Outsourcing, oder hat das ein ausgeglichenes Niveau erreicht?

 

Trenkner: Ich sehe noch Wachstum. Im Zeitungsmarkt – aber auch im Akzidenz-Bereich, wo wir ebenfalls tätig sind – ziehen sich die Firmen auf ihre Kernkompetenz zurück. Gefragt ist der flexible Einsatz von Technikern – bitte die richtigen Leute für die jeweils passenden Maschinen. Und nur, wenn diese Maschinen gerade dafür frei sind. So etwas können diese Unternehmen lokal gar nicht alleine lösen. Wir versuchen jetzt, aufgrund der Größe von SEM, lokale Servicezentren aufzubauen. Von dort aus können wir zunächst mit kurzen Anfahrtswegen und Reaktionszeiten Druckhäuser bedienen, um dann einen Mitarbeiter in zwei oder drei verschiedenen Häusern gleichzeitig einzusetzen, um so einen größeren Mehrwert zu erzielen.

 

Was ist die typische Qualifikation der SEM-Mitarbeiter – sind das alles Elektroniker, Mechatroniker?

 

Trenkner: Es sind nicht alles Mechatroniker. Wir haben Industriemechaniker und auch Drucker im Portfolio. Zeitungsdrucker, die im Bereich der drucktechnischen Wartung für uns arbeiten, haben ein sehr hohes Verständnis an die Qualitätsanforderungen beim Walzenservice. Das führt auch wieder zu Akzeptanz beim Kunden.

 

Haben sich die Ansprüche – im Sinne von vorbeugender Instandhaltung –, geändert?

 

Cordes: Nicht nur das. In der ehemaligen Druckerei standen drei Falzapparate und acht Türme. Da konnte man einfach sagen: Ach kaputt, lass stehen, wir nehmen jetzt einfach die nächste Sektion. Wenn man, so wie bei uns, zwei Türme und einen Falzapparat hat, dann hat man nicht so wirklich viele Ausweichmöglichkeiten. Vor diesem Hintergrund haben wir logischerweise ein Konzept zur vorbeugenden Wartung. Das hat auch dazu geführt, dass sich die Infrastruktur der Druckerei und ihre Aufbau- und Ablauforganisation definitiv stark gewandelt hat. Wir haben bei uns ein Instandhaltungssystem im Einsatz, dort geben die Mitarbeiter ihre Störungsmeldungen ein. Daraus werden Arbeitsaufträge für SEM erstellt. Und wir kriegen einfach nur über das System zurückgemeldet: Aufträge sind abgearbeitet. Dann gehen Verantwortliche nochmal durch, verschaffen sich ein Bild, ob das, wie es in Summe aussieht, ob also die Leistung auch so erbracht wurde, die mit dem Auftrag entstanden ist. In der Vergangenheit war es bei uns so, dass es gefühlt unzählige Excel-Tabellen gab, in die jeder beliebig irgendetwas eingetragen hat. Genau das hat sich komplett gewandelt.

 

Tietz: Nachdem wir Wuppertal geschlossen hatten, war es der wichtigste Schritt, alle davon zu überzeugen, dass der neue, deutlich verdichtete Produktionsplan auch funktioniert. Es gab nämlich keine Redundanz mehr. Und es hat locker ein Dreivierteljahr gedauert, bis alle realisiert haben, dass es mit vielen kleinen und großen Modifikationen nun geht. Ich mache auch kein Hehl daraus: das ist bis heute ein hoher Anspruch. Ich habe heute Morgen noch im Produktionsgespräch gesessen und da einen verzweifelten Abteilungsleiter gesehen, der an seiner vollbelegten Cortina eine Rasterwalze wechseln muss. Es bleiben einfach immer fünf Prozent Restrisiko.

 

Cordes: Die Mitarbeiter sind sich bewusstgeworden, welche Verantwortung sie eigentlich tragen. Das war auch für uns das wesentliche Moment, dass die Mitarbeiter in Summe sorgsamer mit ihren Ressourcen umgehen müssen.

 

Tietz: Die Mitarbeiter des Dienstleisters bringen in der Regel dieses Bewusstsein mit, dass sie nur dann länger beschäftigt sind, wenn der Werkvertrag, indem sie arbeiten, richtig funktioniert, wenn sie eine gute Philosophie haben – und auch etwas Gutes für den Kunden leisten wollen. Nicht nur Schraubendrehen, sondern mehr. In der Druckindustrie ist über viele Jahrzehnte alles so vor sich hingeplätschert. Das Wertegefühl, das man mit der Arbeit verbinden muss, ging bei vielen verloren. Die zwei, drei großen Veränderungen, die wir seit 2000 hier in Düsseldorf vollzogen haben, haben sukzessive dazu geführt, dass viele der Mitarbeiter der RBD wieder zu einem neuen, ganz persönlichen, eigenen Wertegefühl gefunden haben.

 

Schiebt SEM den Paradigmenwechsel bei Kunden proaktiv mit an – oder warten sie auf die Unternehmen?

 

Trenkner: Wir gehen schon mit offenen Augen durch den Betrieb. Und wir erkennen die Schwachpunkte einer Anlage, arbeiten dagegen, machen entsprechend konstruktive Vorschläge, was Arbeitspläne betrifft. Unsere Mitarbeiter sind so weit geschult, dass sie selbst am Unternehmen mitwirken wollen.

 

Cordes: Das wirklich Spannende ist das Potenzial, das noch in Zeitungsdruckereien steckt. Da gibt es oft Prozessbrüche, die Ressourcenplanung läuft unsauber. Wer dieses Potenzial erkennt und die dazu notwendigen Maßnahmen umsetzt, wird sich in unserer Branche behaupten und durchsetzen können. Dabei helfen Impulse, wie sie beispielsweise SEM einbringt.

 

Wir danken Ihnen, meine Herren, für dieses Gespräch.

 

Weitere Informationen zu unserem Unternehmen finden Sie auch auf unseren Social Media Kanälen Facebook Instagram Twitter XING LinkedIn